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Business-Coach werden im Zeitalter von KI?

Was sich ändert – und warum eine fundierte Ausbildung wichtiger wird denn je

Die Coaching-Branche steht vor einem grundlegenden Wandel durch den zunehmenden Einfluss Künstlicher Intelligenz (KI). Viele Coaches fragen sich, ob sie auch in Zukunft ausreichend Klienten finden werden oder ob ein Großteil der Coaching-Prozesse bald von einer kostengünstigen KI durchgeführt werden wird. Der folgende Artikel befasst sich mit der Frage, welche Risiken und Chancen KI für Coaches birgt.

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Eine Frau sitzt am Tisch mit einem Tablet, Laptop und Mobiltelefon. In der Luft schweben Icons mit Sprechblasen und ChatGPT.

Es ist davon auszugehen, dass KI in Zukunft an Relevanz gewinnen und sich das Verhältnis zwischen traditionellem Coaching und KI-gestützten Formaten spürbar verändern wird. Auch wenn KI das Coaching nicht verdrängen wird, so wird es doch radikal neu sortiert werden. Durch die wachsende Bedeutung von KI erhöht sich der Druck auf menschliche Coaches, einen klaren Mehrwert für ihre Klienten zu bieten und eine Beziehungsqualität zu schaffen, die über das hinausgeht, was KI leisten kann. Worauf sollten Neueinsteiger am Coaching-Markt achten und welche Kompetenzen sind in Zukunft vorrangig gefragt?

Zusammenfassung

  • KI verändert den Coaching-Markt, ersetzt Coaches aber nicht – entscheidend bleibt die menschliche Beziehungsarbeit.
  • Für künftige Coaches sind eine fundierte Ausbildung, digitale Mündigkeit und klare Positionierung wichtig, um auch im KI-Zeitalter konkurrenzfähig zu bleiben.
  • KI-gestützte Tools eröffnen Chancen für Effizienz und Skalierung.

Bedroht KI das Geschäft von Coaches?

Ja – dort, wo Coaching als austauschbares Frage-Antwort-Gespräch verstanden wird. Standardisierte Anliegen lassen sich bereits heute durch KI-gestützte Prozesse abdecken. Gleichzeitig bleibt Coaching als zwischenmenschliche Entwicklungsbeziehung mehr als informationsverarbeitende Routine. Wie Holger Thiel in seinem Beitrag im Coaching-Magazin herausstellt, sind „für Hilfe und Beistand im Coaching […] anspruchsvolle emotionale und kognitive Fähigkeiten wie Einfühlungsvermögen, Ganzheitlichkeit, Offenheit und das Hegen von guten Absichten wesentlich“ (Thiel, 2024). Gleichzeitig betont er, dass „insbesondere jene Coaching-Angebote, die in starkem Maße toolbasiert sind, einen hohen Grad an Standardisierung aufweisen und somit technisch vergleichsweise gut abbildbar sind, […] Gefahr laufen, aufgrund der Gesetzmäßigkeiten der Wirtschaft von wesentlich kostengünstigeren und niederschwellig verfügbaren KI-Anwendungen ersetzt zu werden“ (ebd.).

Demnach gilt: Wird Coaching als Begegnung zwischen Menschen gefasst, ist die Vorstellung eines vollständigen Ersatzes durch KI skeptisch zu betrachten; KI ist dann primär Werkzeug und Verlängerung der professionellen Praxis, nicht ihr Substitut.

Im Coaching-Magazin lesen Sie zahlreiche aktuelle Fachbeiträge zum Thema KI im Coaching.

Risiken – was Coaches kennen und adressieren müssen

Coaches, die KI-Systeme in ihrer Arbeit nutzen und einsetzen, sollten sich im Vorfeld mit möglichen Risiken und Gefahren auseinandersetzen. Dabei geht es um folgende Themenfelder (Franke, 2023):

  1. Datenschutz & Souveränität: Viele leistungsfähige KI-Systeme kommen aus Nicht-EU-Räumen; sensible Klienten-Daten könnten außerhalb europäischer Schutzstandards verarbeitet werden. Ohne klare Policies, Auftragsverarbeitung und technische Schutzmaßnahmen entsteht Compliance- und Vertrauensrisiko.
  2. Haftung & Halluzinationen: KI kann schlüssig klingende, aber falsche Empfehlungen liefern. Wer Ergebnisse unkritisch übernimmt, bewegt sich in einem ungeklärten Haftungsfeld – besonders heikel bei Führungs-, Gesundheits- oder Compliance-Themen.
  3. Beziehungsqualität & Akzeptanzlücke: Empathie-Signale, Nuancen in Mimik/Stimme und Co-Regulation sind bislang nur bedingt simuliert; digitale Avatare leiden zusätzlich unter dem „Uncanny-Valley“-Effekt. Das kann das Vertrauen – ein Kernfaktor erfolgreichen Coachings – untergraben.
  4. Ethik & Subjektivierung: Wo KI „vermenschlicht“ wird, drohen Rollenkonfusionen. Experten raten, KI im Coaching als prozessuales Werkzeug zu rahmen – nicht als „Coach“ (vgl. Thiel, 2024).

Chancen – wie KI Coaching besser machen kann

Auch wenn der Einsatz KI-gestützter Formate Risiken birgt, bieten KIs nichtsdestotrotz ein großes Potenzial im Bereich Coaching. Wer in der Lage ist, KI als sinnvolle Unterstützung und Erweiterung des Werkzeugkoffers zu nutzen, wird davon profitieren. Chancen für Coaches (vgl. Franke, 2023):

  • Präziser arbeiten: Transkription, Themensynthesen, Mustererkennung, Hypothesen-Checks und Literaturrecherchen in Minuten statt Stunden. So bleibt mehr Zeit für Kontakt, Kontrakt und Transfer.
  • Personalisierte Lernpfade: Zwischen Sessions können Klienten mit KI-gestützten Übungen, Reflexionsfragen und Visualisierungen arbeiten; Coaches kuratieren, kontextualisieren und supervidieren.
  • Skalierung ohne Verwässerung: Gruppenformate und Blended-Programme öffnen neue Perspektiven – bei stabiler Qualität, wenn der menschliche Anteil dort liegt, wo er Wirkung stiftet.

In seinem Buch KI-Coaching (2025) beschreibt Harald Geißler, wie KI sinnvoll im und für Coaching genutzt werden kann.

Werden Coaches in Zukunft genug Klienten finden?

Es ist davon auszugehen, dass sich in den nächsten Jahren Coachings mit niedrigkomplexen, kostensensitiven Anliegen zunehmend zu KI-Tools verlagern werden. Dagegen könnte die Nachfrage nach hochkomplexem, kontextreichem Coaching mittelfristig sogar wachsen: Führung in Transformation, Teamkonflikte, Kulturwandel, Nachfolge und Resilienz sind Themen, in denen Beziehung, Ethik, Kontextsensibilität und Organisationserfahrung entscheidend sind. Aktuelle Fachbeiträge betonen: Ein „KI-Coach“, der alles ersetzt, scheitert absehbar an Datenschutz, Haftung, Akzeptanz und Beziehungsqualität (Franke, 2023).

Coaches, die künftig konkurrenzfähig bleiben möchten, müssen sich mit Auswahl, Prompting und verantwortungsvollen Nutzung von KI-Tools auskennen und über die Fähigkeit verfügen, KI-Outputs zu prüfen, zu dokumentieren und transparent zu machen. Daneben sind die Auseinandersetzung mit Datenschutz und Ethik, die Einbindung evidenzbasierter Tools und von Blended-Learning-Formaten sowie eine qualitative und quantitative Evaluation wesentliche Kompetenzen, die einen Coach künftig konkurrenzfähig machen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Coaches werden nicht durch KI-Programme ersetzt – aber Coaches ohne KI-Kompetenz werden durch solche ersetzt, die beides können.

Woran sich Berufseinsteiger orientieren sollten

  • Coaching-Ausbildung: Wichtigster Grundstein für den Einstieg in den Beruf als Coach ist und bleibt eine fundierte und seriöse Coaching-Ausbildung und Zertifizierung. Ohne diese Basis bleibt KI ein gefährlicher Verstärker. 
  • Beziehungsqualität: Der Aufbau einer guten, vertrauensvollen Coach-Klient-Beziehung bleibt unverzichtbare Grundlage eines jeden Coachings. Da aktuelle Studien (s. Graßmann, 2019) belegen, wie stark die Beziehungsqualität mit dem Coaching-Erfolg zusammenhängt, sollte der Fokus von Coaches auf der zwischenmenschlichen Entwicklungsbeziehung liegen.
  • KI-Kompetenz: Als Coach sollte man sich mit den Chancen und Risiken KI-gestützter Coaching-Formate auseinandersetzen und eine professionelle Nutzungspraxis entwickeln, z.B. Aufbau eines datenschutzkonformen Tool-Sets, Einbindung von Blended-Learning-Formaten, Dokumentation der Richtlinien, KI-gestützte Auswertungen etc.
  • Spezialisierung: Die Positionierung im Coaching-Markt und Definition der Ziel- und Klientengruppen bleiben entscheidende Faktoren für Berufseinsteiger. Es ist wichtig, die eigene Nische zu finden, abhängig von den persönlichen Interessen, Kenntnissen, Erfahrungen und Netzwerk (vgl. Barczynski, 2021).
  • Transparenz: Als Coach sollte man gegenüber Klienten transparent kommunizieren, wie KI im Coaching-Prozess eingesetzt wird.

Fazit

KI zwingt Coaching zu mehr Profil, Evidenz und Ethik – und eröffnet enorme Hebel für Qualität und Skalierung. Wer jetzt in Ausbildung, KI-Kompetenz und klar positionierte Angebote investiert, wird auch in Zukunft erfolgreich als Coach arbeiten können. Wer abwartet, überlässt anderen das Feld.

Literatur

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