Cover: The Digital Coach.
Stella Kanatouri

The Digital Coach.

Rezension von Dr. Michael Loebbert

4 Min.

Die vorliegende Doktorarbeit von Stella Kanatouri ist an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg unter dem deutschen Pionier für Online Coaching Prof. Dr. Harald Geißler entstanden. Als Korreferent signiert Prof. Dr. Siegfried Greif (Osnabrück). Wissenschaftliche Grundlage ist die qualitative Auswertung von Interviews und Gesprächen mit etwa 1000 coachenden Personen, die digitale Medien für ihre Dienstleistung nutzen. Der daraus entstandene Text ist insbesondere auch für Praktiker fasslich und informativ.

„Digitales Coaching“ ist aus Sicht der Autorin zunächst mal nichts anderes als „Coaching mit digitalen Medien“. Wie können aber digitale Medien wirklich nützlich für Klienten eingesetzt werden? Wie ist der Einsatz von digitalen Medien, vom klassischen Telefon bis zu heutigen Möglichkeiten synchroner und asynchroner Videokommunikation, mehr als bloß kostensparend und vielleicht bequemer? Im ersten Kapitel werden Vorteile und Herausforderungen der digitalen Arbeit beschrieben. Ein Blick auf die aktuelle Forschung zeigt, digitale Medien bieten heute Lösungen für spezifische methodische Fragestellungen.

Nach einer kurz gehaltenen Rahmung kommunikationstheoretischer Grundlagen (Sprechakttheorie) im zweiten Kapitel wird der Einsatz von digitalen Medien (von der Avatar-Welt bis zur Arbeit mit Textnachrichten) mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen dargestellt. Für die praktische Arbeit schlägt Kanatouri im dritten Kapitel vor, besonders die Bereicherung des Coaching-Prozesses ins Auge zu fassen: Wie der Fortschritt von Klienten unterstützt werden kann, wie der Prozess zusätzliche Struktur bekommt, wie Visualisierung und Probehandeln im virtuellen Raum die Lösungsfindung verbessert und wie gleichzeitig der Prozess durch die Automatisierung eher formaler Prozessschritte von der Zielfindung bis zur Rechnung entlastet werden kann. Dafür stellt sie kleine Fallvignetten zur Verfügung, die einen praktischen Einblick in die Verwendung der Vielzahl von digitalen Werkzeugen geben. Sie gibt einen tabellarischen Überblick der am Markt verfügbaren Angebote mit den jeweiligen Webadressen. Die Unterscheidung von Coaching-spezifischen Werkzeugen, die schon eine strukturierte Prozesssteuerung beinhalten, und digitalen Medien, die auch fürs Coaching genutzt werden können, gibt dem Lesenden Anhaltspunkte für die eigene Auswahl.

Künstliche Intelligenz und virtuelle Welten erweitern im vierten Kapitel den Einsatz digitaler Medien in der Zukunft. Insbesondere der Unterstützung durch künstliche Intelligenz traut die Autorin eine Erweiterung und sogar Verbesserung zu. Wahrscheinlich wird sie den menschlichen Coach nicht ersetzen können, da nach wie vor Menschen für die Steuerung gebraucht werden. Emotions- und vorurteilsfreies Urteilen, die Verfügbarkeit rund um die Uhr, die Möglichkeit anonymer Nutzung sowie die Fokussierung auf unmittelbares Handeln sind allerdings Vorteile, auf die der digitale Coach nicht verzichten sollte.

Das fünfte Kapitel setzt digitale Kommunikation und Coaching-Kompetenz in Beziehung. Die Arbeit mit digitalen Medien braucht von coachenden Personen zusätzlich digitale Medienkompetenz. „Being a master of the medium can help us craft a dynamic coaching space that strives for the best possible interaction.“ (S. 159) Gebraucht werden insbesondere technologische, ethische und fachliche Kompetenzen für mediale Kommunikation. Allerdings wird man durch die Nutzung neuester Technologien nicht zu einem guten Coach, wenn die grundlegenden Coaching-Fähigkeiten fehlen.

An dieser Stelle wird eine Grenze der interviewten Coaches und der inhaltsanalytischen Auswertung deutlich. Wie kurz davor, so scheint es dem Rezensenten, die Wahl des Mediums aus Sicht einer Coaching-Theorie als „Intervention“ zu adressieren, bleiben Vorstellungen über mögliche Wirkungen und spezifischem Nutzen für Klienten (welches Medium wann?) etwas vage und wenig strukturiert. Es bleibt eine Aufgabe für die Zukunft für Praxis und Wissenschaft, die in der vorgelegten Arbeit eine gute Grundlage findet.

Fazit: Die mit reichhaltigen Beispielen angereicherte Beschreibung von Konzepten und Vorgehensweisen bietet einen erfahrungsbasierten Überblick und eine Zusammenfassung des aktuellen Stands von digitalem Coaching.

Dr. Michael Loebbert

Programmleiter Coaching Studies FHNW – Fachhochschule Nordwestschweiz
www.coaching-studies.ch
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