Selbstwirksamkeit bedeutet, die innere Überzeugung zu haben, schwierige oder herausfordernde Situationen gut meistern zu können – und das aus eigener Kraft heraus. Die Forschung hat belegt, dass diese Überzeugung nicht statisch ist, sondern dass Menschen sie ein Leben lang in sich fördern und entwickeln können. Hier setzt das Buch „Selbstwirksamkeit stärken“ an. Es richtet sich explizit an Coaches und alle anderen Berufsgruppen, die Menschen beim Wachsen und Entfalten begleiten.
Wer sind die Autorinnen? Die Verhaltenswissenschaftlerin Monika Feichtinger ist als Trainerin, Beraterin und systemischer Coach tätig. Miriam Wunder arbeitet ebenfalls als selbstständige Trainerin und ist ausgebildete Psychodramatikerin und systemischer Coach. Beide haben eine Zusatzausbildung zum Emotions-Coach absolviert.
Die beiden Autorinnen stellen in ihrem Buch zunächst kurz das namensgebende Selbstwirksamkeitskonzept von Albert Bandura von 1977 vor. Auf diesem baut ihr eigenes Coaching-Modell zur Stärkung der Selbstwirksamkeit auf. Aus Sicht von Feichtinger und Wunder wird die Selbstwirksamkeitsüberzeugung von sechs Faktoren bestimmt:
1. Selbstreflexion: Hier geht es um „den begleitenden Blick in den Spiegel“. Die Klienten und Klientinnen lernen systematisch und mit dem nötigen Abstand, aus ihren Erfahrungen zu lernen.
2. Selbstwert: Wie zufrieden sind Klienten und Klientinnen mit sich?
3. Selbstbild: Wie wurden sie zu den Menschen, die sie heute sind?
4. Selbstvertrauen: Kennen die Klienten und Klientinnen ihre Fähigkeiten? Vertrauen sie auf ihre Fertigkeiten?
5. Selbstmitgefühl: Wie empathisch sind sie mit sich selbst?
6. Selbstfürsorge: Kennen Klienten und Klientinnen ihre Bedürfnisse und wie gut sorgen sie für sich?
Diese sechs Faktoren werden in jeweils einem Kapitel ausführlich erkundet und erklärt. Dazu gibt es eine Vielzahl von Übungen, Beispielen, Praxistipps sowie Arbeitsvorlagen zum Herunterladen. Dabei werden bekannte Therapieansätze, Modelle und Tools wie etwa die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT), der Circle of Influence, das Johari-Fenster, Kolbs Erfahrungszyklus, das Terry-Borton-Modell oder das Internal Family System (IFS) kurz vorgestellt und der jeweilige Nutzen speziell für die Stärkung der Selbstwirksamkeit praxisorientiert erläutert. Zwischendurch erinnern die beiden Autorinnen daran, dass die grundlegenden Prinzipien der Selbstwirksamkeit nicht nur für Klienten und Klientinnen relevant sind, sondern auch für die professionellen Begleiter. „Die Reise zur Selbstwirksamkeit ist nie abgeschlossen. Es ist ein fortwährender Prozess des Wachsens, Lernens und Entwickelns. Nutze die Erkenntnisse aus diesem Buch als Impuls, um auch deine eigene Selbstwirksamkeit und Professionalität zu stärken und als Vorbild für andere zu dienen.“ (S. 207)
Im Eingangskapitel erläutern die Autorinnen die vier Faktoren, die nach Bandura die Grundlage der Selbstwirksamkeitsüberzeugung bilden: die Verarbeitung von Erfahrungen, die Nachahmung erfolgreicher Modelle, die Ermutigung durch andere und physiologische Einflüsse. Eine schöne Ergänzung an dieser Stelle wären einige einordnende Sätze, in welcher Weise und in welchem Umfang das Konzept der Selbstwirksamkeit – das zentrale Konstrukt in Banduras Social Cognitive Theory (SCT) – in den vergangenen Jahrzehnten auf die Psychologie und benachbarte Professionen wie die Gesundheitsprävention ausgestrahlt hat. Interessant wäre zudem eine kritische Erinnerung, dass die Idee der Selbstwirksamkeit vor allem das Individuum in die Verantwortung nimmt und damit soziale und strukturelle Faktoren systematisch außer Acht lässt. Diese kleinen Kritikpunkte ändern aber nichts daran, dass es den beiden Autorinnen hervorragend gelingt, kompakt auf 224 Seiten ihr Know-how so zu vermitteln, dass Coaches davon profitieren und die vorgestellten Werkzeuge individuell abgestimmt auf die eigene Praxis effektiv nutzen können.
Fazit: Dieser Leitfaden zur Stärkung der Selbstwirksamkeit ist theoretisch fundiert, sinnvoll strukturiert und gut lesbar. Die beiden Autorinnen werden dem Untertitel ihres Buches gerecht: Sie unterstützen Coaches hervorragend darin, Klienten „zu befähigen und zu beflügeln“.
Almut Siegert