Wodurch zeichnet sich gute Führung aus? Ist es Charisma, das Loyalität befördert? Sind es von Genialität geprägte einsame Entscheidungen? Ist es der autoritäre Ton, der direktiv Orientierung gibt oder das maximal partizipative Kräftefeld einer Gruppe? Für Angelika Ehrhardt und Daniela Elsner liegt die Antwort in einer coachenden Haltung im Führungshandeln. Ihren Ansatz stellen sie in „LEAD COACH: Warum gutes Führen Coaching braucht“ vor.
Daniela Elsner ist als Pädagogin gestartet und hat anschließend promoviert. Sie wurde auf eine Professur für Didaktik an der Goethe-Universität Frankfurt/Main berufen. Auf Weiterbildungen in Psychotherapie und in systematischem Coaching folgte eine Professur für Coaching und Leadership sowie die Aufgabe als Lehr- und Mastercoach an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Prof. Elsner hat eine eigene Coaching-Praxis als Systemischer Coach und Executive Coach.
Auch Angelika Ehrhardt ist als Pädagogin mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung gestartet. Sie hat zwei Fortbildungsinstitute aufgebaut. Nach Weiterbildungen in klientenzentrierter Gesprächsführung und Zusatzqualifikationen in Konfliktmanagement und Psychodrama hat sie sich auf Beratung, Coaching, Organisationsentwicklung und Konfliktmanagement spezialisiert.
In der Vermittlung ihrer Inhalte und Anliegen werden die Autorinnen von Petra Tanopoulou als Illustratorin unterstützt.
Das Buch im Softcover aus dem Vahlen Verlag umfasst 265 Seiten, die farbig gedruckt sind. Den elf Kapiteln ist statt eines Vorworts ein Dialog der Autorinnen vorangestellt. Diesem folgen die Einleitung und Grundlegungen zu den zentralen Themen Führung und Coaching, die mit zahlreichen Definitionen angereichert sind. Ab Kapitel sechs entfalten die Autorinnen das Akronym LEAD konzeptionell und in den unterschiedlichen inhaltlichen Aspekten. Zum Ende hin stellen sie sich und ihre Illustratorin vor, gefolgt von einem Literatur- und Stichwortverzeichnis sowie einer Toolbox für den schnellen Zugriff auf die im Verlauf genannten Werkzeuge.
Sprachlich bietet das Buch einen guten Zugang. Einigen Kapiteln sind Zitate vorangestellt. Die zahlreichen Fallbeispiele und 40 Tools sind farbig abgesetzt, ebenso die Tipps zwischendurch. Großzügige Illustrationen und Tabellen unterbrechen den Text und veranschaulichen das Gesagte. Am Ende jedes Kapitels steht ein zusammenfassendes „Takeaway“.
Das Buch richtet sich in erster Linie an Führungskräfte. Inhaltlich nimmt es die Lesenden mit in eine didaktisch gut gegliederte Landschaft. Die ersten Kapitel definieren das Verständnis von und die Anforderungen an Führung. Auch der Coaching-Begriff und die dazugehörigen theoretischen und wissenschaftlichen Grundlagen werden umrissen. Hinzu kommen immer wieder kurze Differenzierungen, z.B. über den „Unterschied zwischen einer coachenden Führungskraft und einem professionellen Coach“ oder über Rollenkonflikte.
Der LEAD-COACH-Ansatz versteht sich als anpassungsfähig mit Blick auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden und die Anforderungen des Unternehmens. Hinter dem Akronym LEAD verbergen sich die vier Abzweigungen in Form der Rollen „Liberator“, „Entrepreneur“, „Action Manager“ und „Deliberator“. Im Buch sind mit jeder Rolle spezifische Anforderungen assoziiert. Jede Rolle bekommt ein eigenes Kapitel, in dem Methoden und Verfahrensweisen vorgeschlagen werden. Z.B. zeichnet sich die Rolle des Action Managers durch Entscheidungen, klare Kommunikation von Zielen, Prioritäten und Aufgaben sowie das Management von Konflikten aus.
Dieses Buch hat zahlreiche Stärken: eine gekonnte Didaktik, große Anschaulichkeit und Klarheit, zahlreiche Methoden, Impulse zur Selbstreflexion für Führungskräfte uvm. Es fordert Führungskräfte heraus, sich selbst zu reflektieren und sich selbst gut zu führen. Die Idee dahinter könnte ein Pfad zum erfolgreicheren Führungshandeln sein: Die Führungskraft wird in die Lage versetzt, die zur Situation passende Rolle gemäß der Anforderungen bewusst und aktiv zu wählen. Damit stellt das Buch einen starken Orientierungsrahmen vor.
Die Idee einer coachenden Führungskraft ist reizvoll. Für Coaches würde das bedeuten, eine Führungskraft für dieses flexible Rollenverständnis zu gewinnen und sie für das Coaching ihrer Mitarbeitenden quasi auszubilden. Dazu braucht es den passenden Auftrag, z.B. das Einfinden einer jungen Führungskraft in die neue Rolle. Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit, das Buch mit Führungskräften gemeinsam zu lesen und in ihre Praxis zu übersetzen. Erfahrungsgemäß sind Leitungen stark in ihre Aufgaben eingebunden, sodass sie sich den vorgestellten Ansatz nicht ohne Weiteres aneignen können. Das würde knappe Güter wie Zeit und Energie voraussetzen. Wünschenswert wären Downloads zu den Rollen und den Tools mit der Möglichkeit zu raschem Zugriff.
Fazit: Ehrhardt und Elsner stellen auf gerade einmal 250 Seiten einen kompakten und klugen Ansatz für gelingendes Führungshandeln vor. Falls sich Führungskräfte und Coaches fragen, ob sich die Lektüre des vorgestellten Ansatzes lohnt, lautet die Antwort uneingeschränkt „ja“. Die Autorinnen kennen die aktuellen Herausforderungen von Führungskräften und stecken dafür einen menschenfreundlich coachenden Handlungsrahmen ab.
Torsten Ferge
Coach und Supervisor
www.ferge-coaching.de