Cover: Hirngeküsst. Nützliche Tools zur Veränderung von inneren Bildern, Mindsets und Glaubenssätzen
Tom Küchler

Hirngeküsst. Nützliche Tools zur Veränderung von inneren Bildern, Mindsets und Glaubenssätzen

Rezension von Torsten Ferge

4 Min.

Ausnahmsweise kommt das Fazit zu Beginn: Unterhaltsam, lebensklug und klar in der Konzeption überrascht Tom Küchlers ostdeutsche Stimme in der Coaching-Landschaft. Sein „Hirngeküsst: Nützliche Tools zur Veränderung von inneren Bildern, Mindsets und Glaubenssätzen“ denkt Veränderungsarbeit vom Gehirn her. Küchler bringt Theorie und Praxis in kurzen Sätzen auf den Punkt. Und in seinen Worten klingt eine fast vergessene Tugend durch: die der Bescheidenheit und Zurückhaltung.

Der Weg von Küchler war augenscheinlich weiter als der vieler anderer Beraterinnen und Berater. Der in der DDR sozialisierte und dort ausgebildete Elektronikfacharbeiter hat sich nach der Wende neu erfunden: als Sozialarbeiter, Berater und Therapeut. Statt aus technischer Sicht knackt er nun mit seinen Klientinnen und Klienten aus Coaching-Sicht das Passwort des Lebens. Dieses lautet für ihn „Sinn“. Daneben unterrichtet er in den Bereichen Coaching, Supervision und Organisationsentwicklung, schreibt Bücher und war im Vorstand der Systemischen Gesellschaft aktiv. Küchler bringt als ostdeutscher Selfmademan seine eigene Sicht auf Veränderung und Entwicklung mit. 

Das Taschenbuch hat einen Umfang von 117 Seiten. Das orangefarbene Cover ziert die Abbildung eines lachenden Gehirns. Nach der Einführung warten auf die Lesenden vier „Küsse“, also vier Kapitel, von denen das zweite den Hauptteil umfasst. Dieser Hauptteil ist wiederum in sieben „Facetten“ untergliedert. Drei Seiten mit Literatur schließen das Buch ab. Küchlers Sprache vermag zu unterhalten, zahlreiche Wortneuschöpfungen überraschen. Das Buch wirkt wie eine Methodensammlung. Es gibt zahlreiche kurze Abschnitte, wobei auf kurze Erläuterungen abgesetzte Kästen mit Methoden wie z.B. Listen mit Fragen oder auch Erkenntnissen folgen. Zielgruppe des Buches sind einerseits Coaches, Beraterinnen und Berater sowie Therapeutinnen und Therapeuten. Andererseits eignet es sich als eigenverantwortliche Anleitung zum Nachdenken über Muster bei den Lesenden anhand der gestellten Fragen und Methoden. 

Als Kern des Zugangs zur Klientin oder zum Klienten im Coaching sieht der Autor sein GPS, worunter die Glaubenssätze, das Potenzial und der Sinn verstanden werden. Dieser konzeptionellen Spur folgen die sieben Facetten, die beispielsweise „Begrenzungen und Quellen identifizieren“ oder „Würdigung und Ressourcen“ heißen. Hinter jeder Facette verbergen sich methodische Vertiefungen wie die Tassenaufstellung mit s.e.x.y. – womit der Autor auf einen früheren Titel verweist. Ziel und Zentrum ist für Küchler das Herausarbeiten der „kühnsten Hoffnungen und würdevollsten Absichten“ im Coaching. Im vorletzten Kapitel illustriert er anhand von Figuren von Astrid Lindgren Haltungen und Einstellungen zum Leben. Der vierte Kuss fasst die drei goldenen Regeln zur Veränderung zusammen. 

Das Buch vermag zu begeistern. Da ist die frische und freche Sprache, die die Lesenden immer respektvoll siezt. Da werden Glaubenssätze einerseits gewürdigt und zugleich im Dienst der Veränderung optimistisch in Ambivalenz gebracht. Da gibt es popkulturelle Referenzen, die Muster im Coaching veranschaulichen. Trotz des distanzlosen Kusses im Titel gelingt eine sprachliche Ausgewogenheit von Nähe und Distanz. Die Lesenden werden optimistisch zur (Selbst-)Veränderung eingeladen. Das Buch greift Gedanken aus früheren Veröffentlichungen des Autors auf und entwickelt sie weiter. Zudem verweist er auch auf bekannte Ansätze wie die Arbeit mit Mottozielen aus dem ZRM. 

Die Vielzahl der Modelle ist zwar konkret und greifbar, kann aber auch überfordern. Vielleicht wirkt die eine oder andere Frageliste beim Lesen etwas mono-methodisch. Und weder Verlag noch Autor stellen die heute fast schon obligatorischen Online-Materialien bereit. 

Fazit: Küchler denkt Coaching vom Gehirn her. Die kurzen Absätze und Ansätze zu Veränderungsprozessen wecken Neugier und machen Lust, im Coaching damit zu arbeiten. Der Autor ist ein authentisches Beispiel für das Sich-selbst-neu-Erfinden. Hier erklingt eine frische Stimme mit zeitgemäßen Methoden für Veränderung in der Beratungslandschaft. Kein Kann, sondern ein Muss für jeden Coach. 

Torsten Ferge

Coach und Supervisor
www.ferge-coaching.de 

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