Cover: Handbuch Business-Coaching. Weinheim: Beltz.
Björn Migge

Handbuch Business-Coaching. Weinheim: Beltz.

Rezension von Dr. Jörg Pscherer

3 Min.

Weshalb ein weiteres Coaching-Handbuch? Vom gleichen Autor gibt es schon ein Grundlagenwerk, von Kritikern schon mal als "wildes Sammelsurium" bezeichnet. Die Erwartung des Lesers orientiert sich dann also am Begriff: Business. Endlich die Spezifika des Coachings im Unternehmens-Kontext aus dem uferlosen Coaching-Becken herausschälen! Der Autor grenzt denn auch, gemäß der Definition des
Deutschen Berufsverbandes Coaching (DBVC), sofort ein: "Das Personalentwicklungsinstrument Business-Coaching ist die individuelle Beratung, Begleitung und Unterstützung von gesunden Personen mit Führungs- und Steuerungsfunktionen in Organisationen". Im sogenannten Personal-Coaching seien die Anliegen dagegen vielfältiger und eher privater und biographischer Natur.
In den ersten beiden Kapiteln (Orientierung, Prozessgestaltung) wird die Erwartung des Lesers nicht enttäuscht. Er erfährt bei Vorkenntnis professioneller Grundlagen zwar nicht viel Neues, aber in gut lesbarer Form Praktisches über
Setting, Prozessgestaltung und Qualitätssicherung. Beratungsanlässe aus Unternehmenssicht werden genannt wie Steigerung von Innovationskraft, Karriereberatung, Zeitmanagement und Entscheidungshilfe. Sogar auf Organisationswirklichkeiten und kulturspezifische Aspekte wird eingegangen; leider viel zu knapp, wie zum Beispiel bei den Besonderheiten von Familienunternehmen und multinationalen Teams. Das wären die Business-Themen, die genauer interessieren!
Und das war´s dann auch mit den Business-Spezifika. Bevor im letzten Buchkapitel das eigentliche Managementthema "Selbst- und Mitarbeiterführung" behandelt wird (allerdings beschränkt auf abstrakte Selbstführungen zu Glück und Charisma), strotzt der Hauptteil des Handbuches vor persönlichkeitsstrukturellen Inhalten. Sicher sollten individuelles Innehalten und Introspektion in keinem Coaching fehlen. Sieht man jedoch von didaktischen Mängeln ab (nervige Redundanzen, ständige Querverweise), überwiegt der Eindruck, hier schreibt ein tiefenpsychologischer und Psychodrama-Therapeut für Persönlichkeitsbildung und nicht ein Business-Coach.
Natürlich "dürfen" sich auch hart wirtschaftsdenkende Führungspersonen mit Emotionen, Innenschau und dynamischem Gruppenerleben beschäftigen, aber das ist einfach zu viel des Guten. Immer wieder driftet der Autor in die imaginativen Sphären von "Mentals" (ein komplexes, orientalisches Gedankenkonstrukt), therapeutischen
Hypnosuggestionen, "Sozial-Atomen" und Objektbeziehungsaspekten ab und hält sich selbst nicht an den formulierten Anspruch: Coaching ist keine Psychotherapie. Dort oder in einer Selbsterfahrung hat vertiefende Emotionsarbeit ihren berechtigten Platz. Eine Methodendarstellung für Business-Coaching sollte hingegen stärker makrospezifische Organisations- und berufliche Rollenaspekte ziel- und ressourcennah thematisieren. Formal hilfreich sind trotz der unklaren Gesamtstruktur des Interventionskapitels die konkreten Anleitungen und Fallbeispiele, auch die Warnung vor unprofessioneller Kochrezeptanwendung zum Beispiel bei der Aufstellungsarbeit und psychodramatischen Interaktion. Was aber gänzlich fehlt, sind evidenzbasierte, verhaltensorientierte Methoden, allem voran Selbstmanagement-Techniken, Problemlöse-Strategien, Übungen zur Realitätstestung und Stressregulation
(Burnout-Prophylaxe).
Zumindest im letzten Kapitel werden Führungsimplikationen mit praktischen Reflexions-Leitfäden beleuchtet, leider meist auf die individuell-biographische Seele gerichtet, die äußere Bühne der Team-, Führungs- und Konflikt-Kommunikation wird kaum behandelt. Gut ist immerhin die differenzierte Darstellung des lösungsorientierten Arsenals, einem für das Coaching im Business-Kontext hervorragend geeigneten Instrument, da sehr zielgerichtet und systemisch. Der Autor sagt sogar selbst: "Wenn ein Unternehmen Business-Coaching anfordert, liegt ihm nicht daran, bestimmte Mitarbeiter zu reifen oder weisen Persönlichkeiten zu formen. Stattdessen geht es um konkrete Wünsche…" Daran hätte sich Migge in seinem Buch halten sollen.

Dr. Jörg Pscherer

Praxis Pscherer, Nürnberg
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