Stephanie Borgert, Coach und Organisationsberaterin mit unternehmerischer Mittelstandserfahrung, legt ein Buch vor, welches vom Deutschen Verband für Coaching und Training e.V. (dvct) als Coaching- und Trainingsbuch des Jahres 2024/25 ausgezeichnet wurde. Das erhöht das Interesse an einer Rezension. Und dass auf dem Cover Illustrationen von einigen „alten Bekannten“ zu sehen sind, weckt Vorfreude. Es sind Granden verschiedener Fachdisziplinen: Bateson (Ethnologie), Luhmann (Soziologie), Habermas und Foucault (Philosophie), von Foerster (Kybernetik), Meadows (Umweltwissenschaft), Bohm (Quantenphysik). Die Autorin nutzt sie als Referenzen für ihren multi-disziplinären Ansatz.
Das Buch ist flüssig geschrieben, alltagsnah und zugänglich, zum Mitdenken einladend, in einem in der Regel angenehmen Seitenlayout. Beispiele helfen zu verstehen, Zusammenfassungen zu rekapitulieren, eingebettete Methoden laden zum Transfer ein.
Zudem ist es ein Buch zu unserer Zeit, ein Kommentar zur politischen Situation, für die es eine auch philosophische Haltung vermittelt: Kraft, aber auch Anspruch von komplexer Kommunikation. Borgert kritisiert treffend die Verhinderungsstrukturen in Organisationen: „Wir haben […] Strukturen etabliert, die ernsthaften, verbindlichen organisationalen Diskurs be- oder sogar verhindern. […] Wir reden ‚nicht passend‘ miteinander, weil wir verlernt haben, miteinander zu denken.“ (S. 9)
Und das ist dann auch Borgerts Konzept: der organisationale Diskurs, den sie in zwei etwa gleichumfänglichen Teilen darlegt. Auf das Fundament der Darstellung von Prinzipien für den organisationalen Diskurs baut sie ihr „Viersprung-Modell“ auf (S. 10) – Reflect, Irritate, Declare, Agree (wieso nicht auf deutsch?) –, welches helfen soll, Denkmuster zu erkennen und ins Gespräch darüber zu kommen.
Klingt bis hierher gut? Leider kann nicht über deutliche Mängel hinweggesehen werden. Borgert kündigt zwar „Widersprüche und Paradoxien“ an (S. 11), aber es sind einfach zu viele Dinge unausgegoren und unsauber gearbeitet.
So wird Jürgen Habermas den Systemtheoretikern zugeordnet (S. 32), was er sicher nicht ist. (Habermas kommentierte Luhmanns Arbeiten einmal so: „Qualitativ hochwertig, aber falsch.“) Die beiden, und dazu Michel Foucault, unvermittelt nebeneinander zu stellen, ist waghalsig. Die Arbeiten von Gregory Bateson, Paul Watzlawick und Friedemann Schulz von Thun werden als triviale, nur auf Zweier-Kommunikation ausgerichtete Modelle gekennzeichnet (S. 42) – diese Kritik liegt aber daneben. Der Übernahme des Konzepts der „Lernenden Organisation“ von Chris Argyris und Donald Schön (S. 61ff) sei die Kritik von Stefan Kühl („Regenmacher-Phänomen“) entgegengestellt. Angemerkt werden darf, dass zudem Daniel Kahnemann („Schnelles Denken – langsames Denken“) und Nancy Kline („Time to think“) hätten rezipiert werden können. Auch das uneinheitlich geführte Literaturverzeichnis irritiert.
„Es ist nicht trivial, über organisationalen Diskurs zu sprechen oder auch zu schreiben“, so Borgert (S. 96). Was anerkennend ein Kaleidoskop verschiedener Denk-Welten ist, sei kritisch als Sammelsurium unterschiedslos zusammengestellter Denk-Universen bezeichnet.
Fazit: Coaches können dem Buch das Plädoyer für denkende Kommunikation in Organisationen und ein „Who is Who“ der Kommunikations- und Organisationstheorie entnehmen. Für mehr reicht es nicht.
Jan-Christoph Horn