Cover: Die Psychologie der Macht
Carsten Christoph Schermuly

Die Psychologie der Macht

Rezension von Torsten Ferge

4 Min.

Explizit wird Macht selten thematisiert. Mit Lichtschwertern ausgestattete Mitglieder des Jedi-Ordens verabschieden sich mit dem Wunsch „Möge die Macht mit dir sein“, bevor sie sich der Dunklen Seite der Macht stellen. Ansonsten findet Macht in Organisationen eher implizit statt oder ist gar als Tabuthema schwer zu besprechen. Das versucht Carsten C. Schermuly mit seinem Buch „Die Psychologie der Macht. Wie sie uns und das Zusammenleben prägt“ zu ändern. Macht ihn das schon zum Jedi?

Der promovierte Diplompsychologe Schermuly hat einen Forschungsschwerpunkt in der Wirtschaftspsychologie. In seiner Dissertation entwickelte er ein Instrument, mit dem sich softwarebasiert das nonverbale Verhalten in Arbeitsteams erfassen lässt. An der SRH University of Applied Sciences in Berlin ist er als Professor für Wirtschaftspsychologie und Direktor des Instituts für New Work und Coaching tätig. Zudem arbeitet er als Trainer und Organisationsberater und kann fünf Buchpublikationen sowie zahlreiche Fachartikel vorweisen. 

Das schlanke Taschenbuch benötigt gerade einmal 255 Seiten für das Thema, das in zwei Teile untergliedert ist. Im ersten Teil „Was ist Macht und wie wirkt sie psychologisch?“ werden auf knapp 150 Seiten die Definitionen und Grundlagen, aber auch Wege zur und Strukturen der Macht skizziert. Im zweiten Teil fragt Schermuly „Wie gelingt ein verantwortungsvoller Umgang mit Macht?“ und gibt dazu Impulse auf der Individualebene und für die organisationale Betrachtung. Die beiden Teile werden in neun Kapiteln vertieft, die von einer Einleitung und der „Gesellschaftlichen Schlussbetrachtung“ als neuntes Kapitel umrahmt werden. Am Ende eines Kapitels wird Wesentliches in einem Absatz zusammengefasst. Anmerkungen und Literaturangaben im Umfang von 14 Seiten runden das wissenschaftlich fundierte Sachbuch ab. Eher theoretische Darstellungen werden durch humorvolle Alltagsbeispiele sowie historische und popkulturelle Referenzen illustriert. Sie machen das Machtthema greifbar. Der gut lesbare Fließtext wird zunächst nicht von Grafiken oder Tabellen unterbrochen. Das ändert sich punktuell im zweiten Teil mit einigen Schaubildern sowie Fragekatalogen zur Selbstreflexion für die Leserin und den Leser. 

Schermuly versteht Macht als die asymmetrische Kontrolle über Ressourcen und legt sein Verständnis neben die Definitionen von Max Weber und Dacher Keltner. Er differenziert z.B. zwischen Macht und Status oder verweist auf die Unterscheidung zwischen dem dynamischen und psychologischen Charakter der Macht. Seine grundlegenden Darlegungen untermauert er empirisch mit den Ergebnissen von Studien und Metastudien. Muster der Macht werden mit Ohnmachtsphänomenen wie erlernter Hilflosigkeit kontrastiert. Schermuly legt fundiert dar, wie sich die Persönlichkeit Mächtiger durch die Macht verändert. Aus organisationspsychologischer Sicht beleuchtet er z.B. Vor- und Nachteile von Hierarchien und gibt Anregungen zum konstruktiven Umgang mit ihnen. 

Im zweiten Teil entwickelt der Autor zunächst Impulse zur verantwortungsvollen Handhabung von Macht auf der personalen Ebene, wie bspw. eigene Machtmotive zu reflektieren. Im Weiteren regt er auf organisationaler Ebene zum reifen Umgang mit Macht in Strukturen und Prozessen an. Dazu denkt er über empowerndes Führungsverhalten und die Entwicklung einer (ehrlichen) Machtlandkarte anstelle des Organigramms einer Organisation nach. 

Das Buch richtet sich nicht allein an Coaches oder Führungskräfte, sondern an jedermann und jederfrau. Denn als soziale Wesen in gesellschaftlicher Organisation sind wir alle von Macht(-ausübung) betroffen. Allein diese Tatsache reicht für einen betont bewussten Umgang mit dem Thema. Schermuly strukturiert die Kapitel schlüssig, konzentriert den Inhalt auf das Wesentliche und behält konsequent einen unterhaltsamen wie sachlichen Ton bei. Besonders der deskriptive erste Teil fällt ernüchternd realistisch bis pessimistisch aus, setzt aber mit positiven Impulsen und weiterführenden Vorschlägen im zweiten Teil fort. 

Fragen von Macht und Vertrauen im Coaching thematisiert der Autor nicht explizit. Dennoch spielt das Machtthema bei Führungskräften z.B. in der Sandwichposition immer eine Rolle. Schermuly reflektiert außerdem organisationale Wechselwirkungen und gibt Impulse zum besseren Umgang mit Macht in Firmen und Organisationen. Schermuly plädiert für Ermächtigung, für Empowerment. Zudem bietet der Text immer wieder Perspektivwechsel an und weiß zu überraschen.

Fazit: In Zeiten des Zuspruchs für autoritäre Parteien mit einfachen Antworten auf komplexe Fragen wird das Nachdenken über Macht und der verantwortungsvolle Umgang mit ihr immer wichtiger. Coaches haben in der Reflexion beruflicher Wirklichkeiten immer auch politische Verantwortung. Schermuly stellt die richtigen Fragen und gibt empirisch belegte Antworten und Impulse. Wäre er ein Jedi, würde er vielleicht sagen: „Möge die geteilte und reflektierte Macht mit dir und den Menschen sein, für die du sie einsetzt.“ 

Torsten Ferge

Coach und Supervisor
www.ferge-coaching.de 

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