Es handelt sich bei dieser Veröffentlichung um eine komplett überarbeitete und aktualisierte Fassung eines vor 20 Jahren erschienenen Buchs von Daniela Blickhan. Erfahrungen aus der Praxis und neue Anwendungsbereiche sind in die Neuauflage eingeflossen.
Das Persönlichkeits-Panorama dient sowohl der Erkundung des Selbstbildes eines Klienten als auch der Weiterentwicklung und Vertiefung des Selbstbildes. Es initiiert das Gewahrwerden vorbewusster Selbstbildaspekte. Indikationen sind Rollenklärung, Rollen-Balance oder persönliche „Inventur“, nicht aber umgrenzte Problemstellungen. Zum Einsatz kommt es in der Regel als Türöffner zu Beginn eines Coaching-Prozesses, als Katalysator im Prozessverlauf und bei der Bilanzierung. Nach Blickhans Überzeugung ist die Methode durchaus auch zum Selbst-Coaching geeignet, allerdings empfiehlt sie, einen Coach hinzuzuziehen, da sich der Zugang zu sich selbst hierdurch distanzierend verändert.
Das konkrete Vorgehen besteht darin, dass der Klient im Gespräch mit dem Coach Mosaiksteine seiner Selbstwahrnehmung sammelt. Das Gespräch wird als halbstrukturiertes Interview geführt; der Coach ist derjenige, der Schlüsselwörter, Zitate und bedeutsame Wiederholungen notiert. Dies sind die „Mosaiksteine“ des Selbstbildes, das zukünftige Arbeitsmaterial. Im nächsten Schritt sortiert und legt der Klient die Mosaiksteine in Beziehung zueinander.
Blickhans Prozedere beinhaltet einen sinnlich begreifenden Erkenntnisfortschritt, das fortlaufende Kommentieren und Laute Denken führt im Ergebnis zu einer dreidimensionalen, dynamisch veränderlichen Darstellung der Selbsterforschung. Ein Fazit des Klienten bildet den vorläufigen Abschluss des Prozesses. Vorläufig, denn im weiteren Coaching-Prozess kann das entstandene Bild weiter verändert werden. Blickhan gibt erfreulich detaillierte Anleitungen, wie das methodische Vorgehen vom Coach gesteuert werden soll – alles ist bedacht und erläutert, was leider auch zu etlichen Redundanzen führt.
Der fachkundige Leser wird sich fragen, warum ein derart Zeit und Material aufwendiges Verfahren notwendig sein kann, gibt es doch mit dem Modell der Selbstkomplexität von Patricia W. Linville (1985) und deren Analysetool oder dem SKI (Selbstkonzept-Inventar) bereits ökonomischere und aussagekräftige Methoden. Der Unterschied ist natürlich, dass sich bei Blickhan Klienten „händisch“ und interaktiv ihre Vorstellungen vom Selbst erarbeiten ohne vorgegebene Denkhilfen und Denkrichtungen.
Fazit: Die Autorin stellt ihre Methode ausführlich und nachvollziehbar dar. Das Persönlichkeits-Panorama ist danach für interessierte Coaches praktisch anwendbar. Empfohlen wird es für unterschiedliche Beratungskontexte, ob es für Business-Coaching taugt, mag nicht unbedingt zutreffen. Aber auch wenn die Methode nicht zur Anwendung kommen soll, liefert Blickhan mit ihren Überlegungen viele Anregungen.
Dr. Christine Kaul
willkommen@kaul-coaching.de