Cover: Coachingwissen. Denn sie wissen nicht, was sie tun?
Bernd R. Birgmeier

Coachingwissen. Denn sie wissen nicht, was sie tun?

Rezension von Dr. Christine Kaul

3 Min.

In heutiger Zeit einen Sammelband "Coachingwissen" herauszugeben, erscheint verwegen: Finden sich doch in den Buchhandlungen viele Meter aktueller Bücher zum Thema Coaching. Doch um es vorwegzunehmen: Die 27 Beiträge sind fast durchgehend sehr lesenswert, sodass es schwerfällt, einzelne besonders hervorzuheben.
Dabei ist der Lesestart eher unerquicklich. Der Herausgeber hat sich entschlossen, ganz im Sinne altdeutscher Akademikergepflogenheiten sein einleitendes Essay mit Fußnoten zu spicken. Was drei Seiten lang vergnüglich sein mag, ist danach ganz einfach nicht mehr lustig; und dies ist damit einer der Beiträge, die den Leser froh sein lassen, dass die Artikel allesamt recht kurz gehalten sind. Es gibt andere Beiträge, bei denen die Kürze aufgrund des interessanten Inhalts allerdings bedauerlich ist.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert, wobei sich der erste den allgemeinen Grundlagen, der zweite Teil den psychologischen Grundlagen und der dritte Teil Spezifikationen des Coaching-Wissens widmet. Im ersten Teil stellt zum Beispiel Gisela Steins in einem äußerst nützlichen und überzeugenden Artikel Coaching als soziale Situation dar. Sie wendet dabei sozialpsychologische Forschungsergebnisse auf den Coaching-Prozess und seine Dynamik an. Harald Geißler stellt im längsten Beitrag des Buchs Ergebnisse seiner Coaching-Forschung vor, dies wird weniger dem Praktiker unmittelbaren Nutzen bieten als vielmehr den Studierenden mit Berufsziel Coach.
Im zweiten Teil widmen sich Christopher Rauen, Alexandra Strehlau und Marc Ubben im gemeinsamen Beitrag den psychologischen Grundlagen. Allen Genannten geht es darum, die Wirkfaktoren im Coaching (-prozess) zu systematisieren und in größeren theoretischen Zusammenhängen zu begreifen. Siegfried Greif stellt im Übrigen unter dem Stichwort "ergebnisorientierte Selbstreflexion" bedenkenswerte (und für managementerfahrene Coachs ein- oder erleuchtende) Aspekte dar. Peter Szabó liefert einen locker formulierten, inhaltlich bereichernden Beitrag mit Beispielen aus der eigenen Praxis, die zur kontroversen Diskussion geradezu einladen; leider ist er bei seinen Literaturangaben so nachlässig, wie es ein guter Coach denn doch nicht sein sollte.
Den dritten Buchteil bestreiten so illustre Autoren beziehungsweise Fachleute wie Jean-Paul Thommen - in gewohnt geschliffener Rhetorik zu grundlegend systemischer Sicht auf Coaching vom Blickwinkel des Managements 2. Ordnung - und weiterhin Gerhard Fatzer und Bernd Schmid. Hervorgehoben werden muss der Beitrag von Susanne Klein, eine der Ausführungen, die gern länger und ausführlicher hätte ausfallen dürfen. Sie wendet das Konzept der Resilienz auf Führungskräfte-Coaching an und kann damit neue Facetten aufzeigen. Heidrun und Frank Strikker verdeutlichen in ihrem Artikel, dass Komplementarität und Symmetrie wesentliche Kompetenzfaktoren des Coachs sind, der in organisationalen Veränderungsprozessen durch gezielte Management-Unterstützung zu Orientierung verhelfen will.
Es konnten hier nur wenige - und zugegebenermaßen unsystematisch ausgewählte - Beiträge schlaglichtartig beleuchtet werden: Der Sammelband bietet aber so viel mehr an wissenswertem und lesenswertem Material, dass die Lektüre uneingeschränkt empfohlen werden kann. Zum Abschluss eine zusätzliche, amüsante Erkenntnis: Deutlich wird beim Lesen vieler Beiträge, Coaching ist ein Markt der Eitelkeiten - und viele Coachs zitieren vor allem und am liebsten sich selbst!

Dr. Christine Kaul

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