Susanne Hedlund

Mit Stift und Stuhl. Illustrationen und Stuhlübungen für Psychotherapie, Beratung und Coaching. Heidelberg: Springer.

Rezension von Thomas Webers

4 Min.

Ein gewöhnungsbedürftiger Titel für jemanden, der sonst eher marketingaffine Formulierungen gewohnt ist. Und vergleicht man dieses Buch mit den dezidierten Coaching-Methodensammlungen (Tools, Methoden-ABC oder Workbook), könnte man geneigt sein, dieses Buch schnell zur Seite zu legen. Auswahl der Themen und die Präsentation der Übungen erscheinen eingeschränkt, ausufernd trocken und langwierig … Überhaupt könnte man leicht zur Meinung kommen, hier liege mal wieder eines dieser Bücher vor, das man mit der Erweiterung "und Coaching" einer breiteren Zielgruppe anpreisen möchte, ohne dass man diesem Anspruch allerdings gerecht werden könnte. Da ist auch definitiv etwas dran. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille.
Lediglich drei Einträge im Stichwortverzeichnis verweisen auf Coaching, das sind in der Tat ziemlich wenige, um damit einen Untertitel zu rechtfertigen. Coaching wird zudem meist nur als Anwendungsfeld "unter anderem" genannt. Die Psychotherapie steht klar im Vordergrund - was beim zweiten Blick verwundert. Denn wenn die Psychotherapie die Mutter des Coachings sein sollte, was die meisten Coaches mit Entrüstung zurückweisen würden, verwundert doch, das dieses Büchlein so schmal ausgefallen ist. Werden Therapeuten nicht über mehrere Jahre hinweg ausgebildet? Was also soll das Geheimnis, was der Zusatznutzen sein, den ein solches Buch leistet? Neugierde wächst.
Und in der Tat entpuppt sich dieses Büchlein schnell als ein engagiertes, gründlich fundiertes Plädoyer, mehr noch: als eine "Predigt" über "die Farbe für Blinde". Nämlich für Verhaltenstherapeuten. Die Autorin wirbt für einen neuen, erweiterten Methodeneinsatz. Da werden methodenpluralistisch sozialisierte Psychotherapeuten, aber eben auch gut ausgebildete Coaches schmunzeln. Der Einsatz von Visualisierungen, Metaphern, aber auch von Stuhlübungen, dürfte für viele selbstverständlich sein. Und Übungen, die sich dessen bedienen, gibt es in den erwähnten "Tool-Books" zuhauf. Sie haben sich bewährt und sind für viele Allgemeingut geworden.
Kann also nun dieses Büchlein Coaches noch eine Anregung bereiten? Definitiv! Weil es die Übungsformate sehr gründlich und ausführlich darstellt und damit über die meisten "Tool-Books" deutlich hinausgeht. Ein weiterer Punkt kommt hinzu: Da die Autorin die Übungen den offenbar einseitig ausgebildeten und denkenden Verhaltenstherapeuten "verkaufen" möchte, gibt sie sich alle Mühe, diese anschlussfähig darzustellen. Anschlussfähig meint hier an den State of the Art der wissenschaftlichen Psychologie (und Medizin). Das ist ein Aspekt, der bei den "Tool-Books" nicht immer in der nötigen Tiefe aufscheint. Nicht ganz zu unrecht verspotten manche die Arbeit mit diesen als "Tool-Klempnerei" oder warnen nach dem Motto: Denn sie wissen nicht, was sie tun! Die Autorin, deren Background im NLP und der Hypnotherapie nach Milton Erickson liegt, leistet damit einen wichtigen Beitrag dazu, verschiedene Welten zusammen zu bringen, und für die notwendige Einbettung in den State of the Art. Davon können auch Coaches klar profitieren. Schließlich wird bezüglich Coaching immer noch ein Theorie- und Forschungsdefizit wahrgenommen.
Nach einer ausführlichen konzeptionellen Einleitung und wichtigen Anwendungshinweisen werden folglich in den Kapiteln 3 bis 5 diverse Übungsformate ausgebreitet. Hier steht eine klare Gliederung vom Einfachen zum Komplexen im Vordergrund. Insbesondere im Kapitel zu den Stuhlübungen werden Zielgruppe, therapeutische Zielsetzung, Kontraindikationen, Dauer, Raumpositionen und eine detaillierte Beschreibung der Übungen geboten. Weitere Optionen und Abwandlungen, auch der Einsatz im Gruppenkontext, werden ausgeführt. Die promovierte Autorin, die übrigens als Psychotherapeutin in einer Klinik für Psychosomatik arbeitet, bietet auf einer eigenen Website noch weiteres Material an. Hier kann man Originalillustrationen betrachten, was einen klaren Mehrwert bietet, hat der Verlag dem Buch doch leider nur eine einzige Druckfarbe zugestanden. Und so kann man auch über den bei der Lektüre schon auftauchenden Verdacht sinnieren, ob die Autorin ihre Klienten wirklich auf linierten Karteikarten zeichnen lässt,? Und leicht zur Überzeugung kommen, dass dem so ist und dass das nicht unbedingt optimal sein muss. Auf der Website werden auch einige Videosequenzen vorgehalten, auch dies ergänzt das Buch und lässt den Eindruck der Arbeit mit diesen Übungen plastischer werden.
Dieses Buch ergänzt die besagten "Tool-Books", ersetzt sie aber mitnichten; dafür hätte sich die Autorin bei diesen noch so einiges abschauen können.
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