Cornelia Tonhäuser

Implementierung von Coaching als Instrument der Personalentwicklung in deutschen Großunternehmen.

Rezension von Professor Dr. Harald Geißler

4 Min.

Die Zahl der Bücher über Coaching ist nicht mehr zu überblicken. Und die meisten muss man auch nicht unbedingt gelesen haben. Das gilt allerdings nicht für die 2009 an der Universität Erfurt eingereichte und 2010 veröffentlichte Dissertation von Cornelia Tonhäuser. Denn sie hebt sich wohltuend vom Gros der vorliegenden Coaching-Literatur ab.
Die Arbeit besteht aus zwei Teilen: Im ersten Teil wird ein systematischer Überblick über die bisher vorliegende - wissenschaftliche und wissenschaftsnahe - Coaching-Literatur gegeben. Hierauf aufbauend werden im zweiten Teil die Entwicklung und Anlage der empirischen Studie, die die Autorin durchgeführt hat, und die so ermittelten Ergebnisse vorgestellt und diskutiert.
Die Ausführungen des ersten Teils beginnen mit einem Blick auf die tiefgreifend veränderten Anforderungen an die Unternehmen und ihre Mitarbeiter, die vor allem durch die Nutzung informationsverarbeitender Maschinen und der so ausgelösten oder forcierten Globalisierung bedingt sind. Die wichtigste Antwort der betriebliche Personalentwicklung auf diese neue Herausforderungen ist die Entwicklung und Implementierung eines neuen Weiterbildungsformats: Coaching. Die Autorin zeichnet in Umrissen seine Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte nach und überprüft seine theoretischen Fundierungen in Auseinandersetzung mit Psychotherapie, Supervision, Mediation, Organisationsentwicklung, Unternehmensberatung, Mentoring und Training. Anschließend gibt sie einen Überblick über die Anlässe und Ziele von Coaching sowie über die Ansätze und Verfahrensweisen im Coaching und deckt nicht zuletzt auch die Problematiken der Qualitätsdiskussion auf. Auf dieser Grundlage stellt sie detailliert die wichtigen empirischen Studien zur Nutzung, Wirksamkeit und Wirkung von Coaching vor.
So vorbereitet wendet sich die Autorin im zweiten Teil der Arbeit ihrer eigenen empirischen Studie zu. Sie besteht aus zwei Schritten, nämlich aus sechs qualitativen Experteninterviews, die die Autorin durchführte, um eine valide Grundlage für die Entwicklung eines differenzierten Fragebogens zu bekommen, den sie an die 500 größten deutschen Unternehmen verschickte und von denen 104 (20,8%) zurückgesandt wurden. Die 31 Fragen dieses Fragebogen beziehen sich auf die objektiven Merkmale des befragten Unternehmens, auf die Strukturmerkmale des Coaching-Angebots, auf den organisationalen Implementierungsprozess, auf die Einschätzung der Zufriedenheit und Erfahrungen mit der Einführung von Coaching, auf die Merkmale der eingesetzten Coaches und auf die subjektiven und berufsbiografischen Merkmale der Befragungsteilnehmer.
Die wichtigsten Einzelergebnisse sind: Coaching wird meistens erst seit weniger als fünf Jahren angeboten und besteht in der Regel aus fünf bis zehn Sitzungen. Während obere Führungskräfte eindeutig Einzel-Coachings durch externe Coaches bevorzugen und nur relativ wenig an Gruppen- oder Team-Coachings teilnehmen, die von externen Coaches durchgeführt werden, ist das Bild bei den unteren Führungskräften erkennbar anders: Denn bei ihnen ist der Anteil von Einzel-Coachings nur wenig höher als derjenige für Gruppen- und Team-Coaching, und auch der Einsatz von externen Coaches (für Einzel- und Gruppen- oder Team-Coaching) ist nur geringfügig höher als der Einsatz interner Coaches.
Je nach dem, ob es sich um obere, mittlere oder untere Führungskräfte handelt, sind auch die Themen im Coaching anders: So sind für obere Führungskräfte vor allem Fragen der Strategieentwicklung und -umsetzung wichtig, während für mittlere und untere Führungskräfte Herausforderungen ihrer Führungskompetenz thematisch zentral sind. Zu den wichtigsten - und wohl bedenkenswertesten - Ergebnissen der Studie gehören schließlich die Erkenntnisse über die Ermittlung des jeweils vorliegenden Coaching-Bedarfs: Denn 50,0 Prozent der befragten Unternehmen führen keinerlei Bedarfsanalyse durch und 36,7 Prozent stützen sich in keiner Weise auf Leistungsindikatoren.
Diese Zahlen, die sich wohlgemerkt auf die größten Unternehmen in Deutschland beziehen, machen deutlich: Die Professionalität der organisationalen Implementierung von Coaching steckt noch ganz in ihren Kinderschuhen. Es bleibt zu hoffen, dass die Unternehmen das möglichst schnell erkennen und dieses Defizit zum Anlass nehmen, nicht nur ihren Führenskräften gute Lernangebote zu machen, sondern auch selbst schnell und wirksam als Organisation zu lernen.

Professor Dr. Harald Geißler

Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
www.online-coaching-lernen.de

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