Christian Hawellek, Arist von Schlippe

Entwicklung unterstützen - Unterstützung entwickeln. Systemisches Coaching nach dem Marte-Meo-Modell. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Rezension von Ulrich Schoop

3 Min.

Neugierig macht bei diesem Buch auf den ersten Blick der Titel: Mir gefiel der konstruktive Ton der Formulierung "Entwicklung unterstützen - Unterstützung entwickeln". Dazu kam der Untertitel mit dem mir unbekannten lateinischen Begriff Marte-Meo (aus eigener Kraft). Aber die Formulierung, dass es sich dabei um "systemisches Coaching" handle, kann so nicht stehen gelassen werden. Anscheinend wurde bei ihrer Auswahl auf einen verkaufsfördernden Effekt gezielt. 

Das Marte-Meo Modell, welches Ende der 70er Jahre von einer holländischen Familienberaterin entwickelt wurde und heute schon in über 20 Ländern Anwendung und Weiterentwicklung erfährt, ist kein genuin systemisches. Es handelt sich dabei um ein psycho-edukatives Konzept der Beratung von Familien, bei dem mit Hilfe von Video-Analysen gemeinsam mit den Klienten ressourcenorientiert optimierte Handlungsweisen entdeckt und entwickelt werden. Thematisch befindet sich das Modell damit im Zwischenfeld von klinischer Psychologie und Entwicklungspsychologie. Wer in diesem Berufsfeld arbeitet oder sich unabhängig davon für Familienberatung interessiert und sich in dieses spezielle, videobasierte Beratungsmodell einlesen möchte, ist mit diesem Einführungsbuch bestens bedient. 

Das Buch bietet einen klar strukturierten und trotz vieler unterschiedlicher Autoren gut lesbaren Überblick über die Marte-meo Methode. Die vier Hauptabschnitte des Buches können unabhängig von einander gelesen werden: Nach einer Konzepteinführung folgt eine genaue Beschreibung der beraterischen Methode. Es schließen sich Praxis- und Forschungsberichte aus sechs Ländern an (bei denen der Anwendungsfokus generell deutlicher ausgeprägt ist als das Interesse an grundlegendem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn). Der letzte Abschnitt ist interessant bezüglich des Verhältnisses von Marte-Meo und systemischem Beratungsansatz. 

Das Hauptergebnis dieser konzeptuellen Überlegungen aus zwei unterschiedlichen Perspektiven ist gleich: Marte-Meo und systemischer Ansatz können sich sinnvoll ergänzen und gegenseitig befruchten, sind aber bei weitem nicht - wie der Untertitel nahe legt - deckungsgleich. Sie setzen auch auf unterschiedlichen Ebenen an, während es beim Marte-Meo Modell aufgrund der gemeinsamen Videoanalyse um Wahrnehmung und Verhaltensänderungen (auch) von kommunikativen Mikroprozessen zwischen Eltern und Kindern geht, steht beim systemischen Ansatz die gemeinsame Reflektion von Wirklichkeitskonstruktionen im Hinblick auf ihre systemische Funktionalität im Vordergrund. Der Marte-Meo Ansatz zeichnet sich darüber hinaus auch durch eine deutliche normative Orientierung in Bezug auf erstrebenswertes Erziehungsverhalten aus, die sich von einer auf Narration ausgerichteten Ergebnisoffenheit in der systemischen Perspektive abgrenzen lässt. 

Allerdings machen die Autoren auch deutlich, wie die Integration und Ergänzung beider Ansätze in der Familienberatung erfolgen kann. Das gesamte Buch ist darüber hinaus sehr anschaulich - und getreu dem medialen Ansatz - auch visuell aufgebaut. Teilweise gibt es comic-hafte Skizzierungen von Beratungssituationen, Fotos aus konkreten Beratungsvideos oder auch die Möglichkeit, einzelne Beratungsfälle auf einer DVD zu bestellen. Lebhaft und anschaulich ist auch das Interview mit der Begründerin der Marte-Meo Methode, Maria Arts, die Einblicke in die Entstehung und vor allem auch die Beratungshaltung der Methode gibt. Letztere weist dann aufgrund einiger Elemente - wie Ressourcenorientierung, Impulssetzung, Prozess und Entwicklungsperspektive und Fokussierung auf den Klientenauftrag - wichtige Bezüge auch zum systemischen Vorgehen auf. 



 

Ulrich Schoop

DB Netz AG, Frankfurt

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