David A. Clutterbuck, David Megginson

Coaching und Mentoring: Individuelle Beratung für individuelle Berufskarrieren. Heidelberg: Spektrum.

Rezension von Thomas Webers

5 Min.


Dies ist ein Tool-Book. Und als solches konkurriert es auf dem deutschsprachigen Markt mit ähnlichen Werken wie dem von Werner Vogelauer oder denen von Christopher Rauen. Das Original erschien im Jahr 2005 auf Englisch. Die Autoren sind Professoren an der britischen Sheffield Hallam University. 

Das Buch hat drei Teile. Der erste ist eine Einführung. Im großen Hauptteil geht es um Techniken. Und der dritte Teil geht der Frage nach: "Wie geht es nun weiter?". 

Fangen wir vorne an. "Was brauchen Sie, um ein guter Coach oder Mentor zu werden?", fragen die Autoren zu Beginn und geben selbst die Antwort: "Lebenserfahrung, eine Stellung, eine Qualifikation, eine Zukunftsvision, Methoden". Die am wenigsten wichtige Ressource für einen Coach sind Techniken, so das Fazit. "Aber die meisten der anderen Dinge in unserer Aufzählung werden Sie sich im Laufe Ihres Lebens bereits angeeignet haben." - Eine Kompetenzunterstellung solcher Art mag dem Leser schmeicheln. Und sicher wird es auch etliche solcher erfahrenen Coachs unter den Lesern geben. Doch es gibt eben auch die andere Fraktion: Anfänger ohne Ausbildung und ohne spezifischen Hintergrund. Für diese Gruppe sollten die Techniken in einen theoretischen Kontext eingebettet und nach Schwierigkeitsgrad eingestuft werden. Die Leser sollten vor allem mit "Risiken und Nebenwirkungen" der Techniken vertraut gemacht werden. Um das vorweg zu nehmen: Die Autoren kommen diesen Anforderungen nur in geringem Maße nach. Lediglich weiterführende Hinweise und Quellen werden gelegentlich genannt. 

Stutzig machen dann im Weiteren Bemerkungen wie "Wir müssen keine Haarspaltereien betreiben". Und wenn dann Coaching (bezieht sich auf die Verbesserung der Leistung) und Mentoring (bezieht sich auf das Identifizieren und Stärken des Potenzials der ganzen Person) solcher Art voneinander abgegrenzt werden, werden hierzulande sicher etliche widersprechen. Die Autoren werfen beide Begriffe alsbald sowieso in einen großen Topf. Vielleicht liegt das daran, dass beide nach eigener Aussage dem European Coaching and Mentoring Council (EMCC) nahe stehen? 

Eklektizismus ist ihre Devise, das muss man den Autoren nicht vorwerfen; wobei man selbstverständlich alsbald die weiterführende Frage nach den Kriterien der Auswahl der Tools stellen sollte. Eine Antwort wie die unserer Autoren enttäuscht allerdings: "Gleichwohl meinen wir, dass ein Coach, der für ein Problem eine Lösung vorschlägt, mit einer dominierenden Theorie im Hintergrund für Irrtümer anfälliger ist als einer, der mit einem eher lockeren, eklektischen Zugang die verschiedenen Ansätze für die verschiedenen Probleme sammelt" (S. 9). Stammt nicht vom psychologischen Altmeister Kurt Lewin das Diktum: "Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie"? Zumal eine vergleichende Theoriediskussion, vor allem im Lichte neuer Erkenntnisse in der Neurobiologie, doch auch interessante Gemeinsamkeiten sonst klassisch zerstrittener Therapierichtungen zutage gefördert hat. 

Im zweiten Technik-Teil haben die Autoren in 13 Kapiteln eigene und fremde Tools gesammelt. Zunächst geht es darum, die Beratungsbeziehung aufzubauen, dann um Zielsetzung, Klärung und Verständnis sowie das Meistern von Hindernissen. Im siebten Kapitel geht es um die Frage, was man an die Stelle der Hindernisse setzen kann. Strategien für kreative Lösungen schließen sich an. Im zehnten Kapitel geht es schließlich darum, wie Klienten ihr Verhalten in den Griff bekommen, im elften darum, Netzwerke zu nutzen. Sehr logisch und klarsichtig fügt sich das zwölfte Kapitel an, das sich dem Thema, wie man eine Beratungsbeziehung wieder beendet, widmet. Das letzte Kapitel nimmt die Entwicklung eigener Verfahren in den Blick; im Sinne von Continuous Improvement auch wieder sehr logisch und löblich. 

Ein erster, kurzer Abschnitt orientiert den Leser jeweils im Kapitel. Dann werden die Tools - meist recht kurz - dargestellt. Häufig schließt sich eine kleine Fallgeschichte an, die den Einsatz des Tools illustriert. Einige Literaturhinweise schließen das Kapitel ab. Die Tools haben unterschiedliche Tiefe und Reichweite. Simpelste Ideen und anspruchsvolle Interventionen stehen unvermittelt nebeneinander. So wird "Schlechte Eigenschaften in gute verwandeln" (Kap. 10) in sechs Zeilen abgehandelt. Eine halbseitige "Fallstudie" schließt sich an. "Tief greifende Herausforderungen", der nächste Abschnitt, wird mit "Keine der folgenden Methoden ist etwas für schwache Nerven" eingeleitet. Das konfrontative Vorgehen nach Frank Farelly wird dann auf knapp einer Seite dargestellt. - Solcherlei ist einfach zu wenig, mancher mag auch bezweifeln, ob damit ein "unfallfreies" Arbeiten überhaupt möglich ist. Hier fehlt (leider) einfach all das, was man aus anderen Büchern kennt: Eine Klassifikation nach Kriterien, eine gediegene, didaktische Aufbereitung, letztlich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Tools, eben auch eine theoriegeleitete Bewertung und Einordnung - und der Hinweis auf "Risiken und Nebenwirkungen". 

Der dritte Teil besteht aus einer kurzen annotierten Bibliografie, einer zweiseitigen Liste von Organisationen (auch mit deutschen Ansprechstationen), einem ausführlichen Literaturverzeichnis und einem Index. 

Fazit: Das Buch fällt deutlich hinter andere Tool-Bücher zurück. Sehr erfahrene Coachs mögen hier Anregungen finden und sich ihre eigenen Gedanken bezüglich "Risiken und Nebenwirkungen" machen. Doch in Anfängerhände mag man ein solches Buch nicht geben. Was sich der Verlag beim Untertitel "Individuelle Beratung für individuelle Berufskarrieren" gedacht hat, mag sich wohl dem Lektorat allein erschließen.

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