Harald Geißler, Robert H. Wegener

Bewertung von Coachingprozessen.

Rezension von Björn Rohde-Liebenau

3 Min.

Dieses Buch ist eine strenge Schule für Coaches, die die eigene Tätigkeit validieren möchten, denn es zeigt 14 verschiedene Wege auf, sich über den eigenen Coaching-Prozess Rechenschaft abzulegen. Es möchte vor allem die Lehre voranbringen, indem es Mindeststandards liefert, die Beliebigkeit ebenso wie missbräuchliche Manipulationstechniken ausschließen. Neben den Herausgebern Harald Geißler und Robert Wegener, die sich seit Jahren mit dem wissenschaftlichen Zugang zur Coaching-Praxis befassen, kommen 17 weitere Professionals zu Wort, die mit der Darstellung ihrer Bewertungsmodelle anhand von zwei Coaching-Fällen eine große Bandbreite unterschiedlicher Ansätze aufzeigen.
Der Band Bewertung von Coachingprozessen leistet einen wichtigen Beitrag, weil er implizit Anhaltspunkte liefert, Missbrauch und Bad-Practice-Methoden im Coaching zu identifizieren und auszusondern. Dabei verfolgen die Herausgeber den Anspruch, mit ihrer Versuchsreihe die Bewertung von Coaching-Prozessen transparent zu machen – was bereits ein wichtiger Beitrag für die weitere Forschung ist. Anders als es die Herausgeber in aller Bescheidenheit darstellen, werden aber auch Grundstrukturen und Anhaltspunkte erkennbar, die in den Bewertungsbeispielen immer wiederkehren.
Die Herausgeber wählen einen interessanten Versuchsaufbau: Die beteiligten Experten analysieren und bewerten voneinander unabhängig nur zwei Coachings. Dabei geht es ihnen nicht um allgemeingültige Aussagen über Coaching, sondern um nachvollziehbare Kriterien, einen Coaching-Prozess zu bewerten. Bewertet wird nicht „der“ Lehrfall eines berühmten Coaching-Gurus, sondern zwei Fälle, deren Coaches wie Klienten anonym bleiben und die einiges Verbesserungspotential erkennen lassen.
Form follows function. Auch das Buch selbst hat einen gewissen Coaching-Charakter. Die Herausgeber haben ihren Autoren statt eines starren Gerüsts eine Hilfestellung für nachvollziehbare Berichte bzw. Bewertungen an die Hand gegeben. Die Autoren, die teils in der Zertifizierung tätig sind, wie auch die Herausgeber begründen ihre Analysen, überlassen es aber dem Leser, Schlussfolgerungen über die Frage der Bewertbarkeit bzw. der „richtigen“ Bewertung von Coaching-Prozessen zu ziehen.
Was die Herausgeber mit ihrem Versuchsaufbau verdeutlichen möchten, bestätigen die Ergebnisse der Autoren: Die Stimmen der Coaches und Klienten müssen in die Bewertung von Coaching-Prozessen einfließen, allerdings sind sie allein nicht ausreichend.
Coaching ist bewertungsfrei. Auch die Kriterien, die die Autoren für ihre Bewertung wählen, wenden sie selbst nicht im juristischen Sinne streng an. Kritischen Lesern mag also die teils freundliche Bewertung auffallen. Hervorzuheben ist der Beitrag von Peter Szabo, der seine Herangehensweise äußerst transparent darstellt und zu einer aussagekräftigen Bewertung gelangt. Dabei orientiert er sich an den Kompetenzstufen der ICF, auf denen der Coach eingeordnet und der Prozess so implizit bewertet wird.
Neben der Unterschiedlichkeit der Coaching-Ansätze lernt der Leser viel über die Präferenzen und Bewertungskriterien der einzelnen Autoren. Die meisten Beitragenden zeigen einen überwiegend „problem-orientierten“ Ansatz. Jeder Impuls, das eigene Verständnis als einzig richtig zu verteidigen, sollte mit der Lektüre des Buches schwinden.
Anstöße und Grundlagen für die umfassende, weitere Beforschung der Bewertbarkeit von Coaching-Prozessen liegen mit diesem Buch vor. Die Wissenschaft mag sich bedienen. Und die Praxis wird Anregungen für kontinuierliche Verbesserungen finden – das mag vor allem die Coaching-Ausbildung sowie die weitere Integration hybrider Abläufe in die Coaching-Praxis betreffen.
Fazit: Ein Buch für alle, die mitdenken wollen, wie Coaching und Coaching-Ausbildungen zuverlässiger werden können – ein Fortschritt für Wissenschaft und Praxis, weil es wesentliche Grundlagen liefert.

Björn Rohde-Liebenau

Ombudsmann, Mediator und Coach
RCC@risk-communication.de
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