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Werner Gross

...aber nicht um jeden Preis. Karriere und Lebensglück. Freiburg: Kreuz.

Rezension von Anne Rocholl

4 Min.

In seinem Buch stellt Gross dar, welche persönlichen Kosten in unserer internationalisierten und globalisierten Wirtschaft beim Streben nach der großen Karriere entstehen können. Dazu zeichnet er zunächst ein sehr anschauliches Bild einer immer schnelleren, immer unsichereren Arbeitswelt, in der mehr und mehr Menschen dem Motto "wer schneller lebt ist früher fertig" zu folgen scheinen, ohne sich dessen Absurdität bewusst zu sein.
Gross weiß, wovon er spricht, denn er beschäftigt sich bereits seit über 20 Jahren mit den seelischen Kosten von Karriere und berät in seiner Praxis vornehmlich jene jungen Aufstreber, um die es in seinem Buch geht. Sein Credo ist, dass eine "langfristig erfolgreiche berufliche Karriere kein Sprint ist, sondern ein Marathon" und der Einzelne daher ganz bewusst abwägen sollte, wie stark er sich dem Geschwindigkeitssog hingibt und wo es gilt, klare Grenzen zu ziehen, um im Strudel der beruflichen Anforderungen nicht unterzugehen.
Der Autor geht dazu im ersten Kapitel verschiedenen Fragen zur Karriereplanung und aktuellen Trends auf dem Arbeitsmarkt nach: Welche Jobs bringen das große Geld? Welche Anforderungen stellt der Markt an die heutigen Bewerber? Wie kann ich mich von der Masse abheben, um beim Kampf um Spitzenpositionen und die nächste Sprosse auf der Karriereleiter zu gewinnen? Dabei lässt er immer wieder Klienten aus seiner Praxis zu Wort kommen, die über ihre Erfahrungen als berufliche Aufsteiger, über die erschreckende Erkenntnis einer schleichenden Entfremdung von sich selbst oder ihre Versuche, Kinder und Karriere zu vereinen, sprechen. Diese Berichte machen das Lesen lebendig und sind eine gelungene Ergänzung zu den vielen Fakten, mit denen Gross seine Texte spickt.
Der Spagat zwischen Familie und Beruf dient Gross als Überleitung zum zweiten Kapitel, welches die möglichen Nebenwirkungen des Karrierestrebens darstellt. Während man im ersten Kapitel noch den Eindruck bekommen konnte, dass die jungen Abteilungsleiter und Firmengründer eine bewundernswerte Spezies besonders harter Kämpfer sind, stellt das zweite Kapitel eindeutig infrage, ob sich der hohe Preis, den viele dieser strahlenden Gewinner für ihren steilen Aufstieg zahlen, lohnt. Dies gelingt dem Autor ohne erhobenen Zeigefinger oder dem selbstgerechten Grinsen dessen, der es besser gewusst hätte. Mit viel Verständnis für den Reiz von Geld und Macht oder auch die Angst vor der Arbeitslosigkeit, die die Menschen dazu treibt, immer mehr zu arbeiten und immer schonungsloser über ihre eigenen Grenzen hinwegzugehen, weist er auf die Kehrseiten eines in Arbeitssucht abgedrifteten, beruflichen Einsatzes hin: soziale Isolation, familiäre Probleme, körperliche Beschwerden bis zum Herzinfarkt oder völliges Ausbrennen. Der häufige Rückgriff auf Daten und Zahlen hilft, sich mit der Problematik nicht allein zu fühlen, dann immerhin scheinen mehr als zwei Drittel aller Deutschen unter einem stetig steigenden Arbeitstempo zu leiden und fast die Hälfte der amerikanischen Erwerbstätigen arbeitssüchtig oder suchtgefährdet zu sein.
Das letzte Kapitel schafft dann mit möglichen Auswegen aus dem schädigenden Karrieresprint einen positiven und hoffnungsvollen Abschluss. Coaching ist hier nur eine von mehreren Möglichkeiten sich Hilfe für eine Neuorientierung zu holen.
Die meisten Unterkapitel enden mit einer Reihe kleiner Tipps, zur Verbesserung des zuvor problematisierten Sachverhalts. Da der Autor jedoch auf genauere Anleitung zur Umsetzung verzichtet, kann der Eindruck entstehen, er sei sich der Schwierigkeit einer Richtungsänderung nicht bewusst. Anweisungen wie "Vorsicht vor Energie-Vampiren" oder "Lernen Sie, mit Ihren Kindern zu spielen" können von daher eher als Anregungen gesehen werden. Ebenso versucht Gross, seine Leser mit den im Anschluss an jeden Abschnitt stehenden "bedenkenswerten Fragen" und Anregungen "zum Nachdenken" auf neuen Gedanken zu bringen. Literaturhinweise zum Weiterlesen und Links auf verwandte oder weiterführende Internetseiten runden jedes Unterthema ab.
Fazit: Das Buch richtet sich primär an junge Karrieristen, die merken, dass sie in ihrem Streben nach immer mehr beruflichem Aufstieg an körperliche und seelische Grenzen stoßen und auf der Suche nach Anregungen zu kleinen Änderungen oder gar dem radikalen Neuanfang sind. Ihnen bietet Gross neben einer Menge Hintergrundwissen auch viele Anregungen zum Nach- und Umdenken. Auch professionelle Coachs können von der Erfahrung des Autors mit den High Potentials unserer Zeit profitieren und für deren Probleme sensibilisiert werden.

Anne Rocholl

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